Was darf es denn sein zum Jahreswechsel - Feuerwerk, Tanzparty und Sekt oder lieber Stille, Meditation und Achtsamkeit? Aus Feuerwerk und Sekt mache ich mir nicht viel, die letzten Jahre tanzte (5-Rhythmen) ich bewusst ins Neue Jahr, diesmal nun wollte ich mir eine kleine Auszeit gönnen und ganz still und wach ins 2019 übertreten.
Bereits über Ostern war ich an diesem Meditations-Retreat im Haus der Yoga Universität in Villeret, damals 5 Tage. Ich schätze in diesem Haus die klaren und etwas strengeren Regeln, die anfange vielleicht etwas erschrecken, einem aber definitiv auch zugutekommen. 9 Tage völlig zu schweigen (auch nicht mit Augen oder Gesten zu kommunizieren), um 4 Uhr früh für die erste Meditation aufzustehen, nach 12 Uhr mittags nichts mehr zu essen und fast 10 Stunden am Tag reglos in der Gruppe zu meditieren ist wahrscheinlich nicht jedermanns Sache. Das völlige Aus-dem-Alltag-treten und ganz sich selbst zu widmen, bringt aber eine wunderbare Ruhe, Wachheit und Achtsamkeit die auch nach dem Retreat noch lange anhält. Ein schönes Geschenk!
Normalerweise meditiere ich nur wenige Minuten täglich und auch das nicht jeden Tag. Wenn ich dann jeweils zu Beginn eines solchen Retreats den Verstand einschalte und mir ausrechne wie viele Stunden wir völlig still und unbeweglich im Halbdunkeln sitzen und wie furchtbar lange 9 Tage sind, muss ich schon mal leer schlucken J ! Zum Glück weiss ich aber auch, dass es ja gar nicht soo lange und soo anstrengend ist, wenn das Retreat mal begonnen hat und man sich jeweils nur auf dem aktuellen Moment konzentriert.
04 Uhr früh: wir werden durch einen Gong geweckt – die Meditation beginnt um 04:30 Uhr und gleich zu Tagesbeginn sitzen wir 2 Stunden. 06:30 Uhr ist Frühstück, schweigend, Männer und Frauen sitzen getrennt, um 08 Uhr geht es weiter mit Meditation. Nach dem Mittagessen um 11 Uhr gibt es nichts mehr zu essen bis zum nächsten Frühstück. Die Tage gehen in der Regel schnell vorbei, um 21 Uhr ist bereits Nachtruhe.
Was machen wir all die vielen stillen Stunden und Tage? Die ersten 3 Tage übten wir Anapana-Meditation, das ist ein achtsames Beobachten des Atems, wie er ein- und ausfliesst. Dabei wird vorzugsweise ein Punkt im Naseneingangsbereich fokussiert und der vorbei-strömende Atem beobachtet. Dies ist ein Achtsamkeits-training, welches die Geistesausrichtung schult und die Gedanken immer stiller werden lässt. Klingt vielleicht etwas langweilig, führt aber zu einer wunderbaren Stille und Präsenz. Nach dem dritten Tag folgte dann die Vipassana-Meditation (auch Einsichtsmeditation genannt), bei welcher sich der Meditierende auf alle körperlich und nicht-körperlichen Empfindungen konzentriert und, gemäss buddhistischer Lehre, allmählich erkennt, dass alles vergänglich ist. Als dritte Meditationsform praktizierten wir die Metta-Meditation, in welcher eine liebevoll-wohlwollende Haltung allen Wesen gegenüber geübt wird. Darin kann zum Beispiel einem unliebsamen Bekannten, liebevolle Gedanken und Gefühle geschickt werden, eine wunderbare Praxis die oft viel bewirken kann. Die einzige nicht sitzende Meditation war nach dem Mittagessen die 45minütige Gehmeditation. Mit sehr langsamen und achtsamen Schritten bewegt man sich hierbei eine kurze Gehstrecke hin und her, wie in Zeitlupe, völlig präsent und versucht jede kleine Bewegung und Empfindung des Körpers wahrzunehmen.
Trotz des «temporären Fastens» kamen bei mir keine Hungergefühle auf, es war so, wie wenn die Körperintelligenz wusste, wann die nächste Essenszufuhr kam und sich darauf einstellte. Spannend war das Erlebnis der Wachheit: Nach ein paar Tagen der Meditation, in welcher ja genau das, «Wachheit» angestrebt wurde, ging ich jeweils nach einem langen Tag um 21 Uhr völlig wach und klaren Geistes ins Bett, mit dem Gefühl überhaupt keinen Schlaf zu benötigen. Das vielleicht Schwierigste für mich war, in einer Gemeinschaft zu sein, Menschen um mich zu spüren und völlig auf Augenkontakt zu verzichten, einander sozusagen sozial auszuweichen und auszublenden. Das Schweigebrechen am letzten Tag war dafür umso schöner, obwohl dann auch (noch) nicht viel gesprochen wird, aber ein Sich-Begegnen findet dann wieder statt. Meine Stimme braucht dann jeweils etwa einen Tag, bis sie wieder ganz da ist, räusper, räusper ...







